Kontrolle über das Narrativ: Recap zum Newsroom-Roundtable von dirico am 11.10.2022
Insgesamt 60 Personen nahmen an unserem Newsroom-Roundtable in München teil.

Kontrolle über das Narrativ: Recap zum Newsroom-Roundtable von dirico am 11.10.2022



„We gotta take the power back“, sangen Rage Against The Machine vor genau 30 Jahren auf ihrem Debütalbum. Für Unternehmen geht es in der Aufmerksamkeitsökonomie des 21. Jahrhunderts genau darum: die Kontrolle über das eigene Narrativ zurückzugewinnen.

Denn dieses Narrativ bestimmt im Zweifel mehr über den Börsenkurs als eine fundierte Unternehmensbewertung. Markus Schindler, Gründer von PANTARHEI Corporate Advisors, machte dies im Eröffnungsvortrag des von dirico veranstalteten Newsroom-Roundtables an den – zugegebenermaßen extremen – Beispielen Tesla und Twitter deutlich. Weniger die Absatzzahlen der Fahrzeuge oder die Anzahl der Twitter-User*innen bestimmen die Aktienwerte, sondern vielmehr die öffentlichen Auftritte und Tweets von Elon Musk.

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Kommunikation sei ein zentrales Managementinstrument, betonte Schindler. Dem Corporate Newsroom bzw. dem Corporate Media House als Organisationsmodell komme die Aufgabe zu, das Narrativ bestmöglich zu steuern. Man müsse alle Zielgruppen nachts um drei Uhr wecken können und immer die gleiche Antwort auf die Frage „Wofür steht das Unternehmen XY?“ erhalten müssen.

Den ersten Newsrooms sei dies nicht immer gelungen, da sie mehr als Showroom fungierten mit der Message: „Schaut her, wir haben unsere Kommunikation modern aufgestellt.“ Heute gehe es darum, einen Change in drei zentralen Bereichen zu schaffen: Mindset, Skills und Organisation.

Der Multi-Brand-Newsroom der Lufthansa Group

Wenn eine Unternehmensgruppe sage und schreibe 550 Tochterunternehmen und Beteiligungsgesellschaften unter ihrem Dach vereint, erleichtert dies die Schaffung eines einheitlichen Narratives nicht wirklich. Michiel Bogaert beschrieb in seinem Vortrag, wie der Newsroom der Lufthansa Group diese Herausforderung angeht.

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Es gebe Themen wie Nachhaltigkeit, die für alle Marken von höchster Relevanz seien und nach einem einheitlichen Messaging verlangen. Hier liege es in der Verantwortung des Newsrooms, Botschaften zu definieren, Content bereitzustellen und dessen Veröffentlichung zu koordinieren. Andere Themen seien so speziell auf die jeweiligen Märkte und Zielgruppen ausgerichtet, dass die Kommunikator*innen weitgehend eigenständig agierten.

Die interne Kommunikation werde dabei immer wichtiger. Nicht zuletzt da der Kranich seit fast drei Jahren permanent durch Krisen – von Corona bis Ukraine-Krieg – manövrieren müsse und dies selbstredend auch die Stimmung in der Belegschaft beeinflusst habe. Bereits heute seien bereits rund 70 Prozent der verbreiteten Kommunikationsmaßnahmen an interne Zielgruppen gerichtet.

Die interne Kommunikation im Corporate Newsroom

Die Rolle der internen Kommunikation im Newsroom war zentrales Thema einer Podiumsdiskussion mit Frank Wolf (Staffbase) und Sascha Böhr (dirico), die ich moderieren durfte.

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Einigkeit herrschte darüber, dass kein Weg an einem integrierten Kommunikationsmodell vorbeigehe. Es dürfe nicht mehr passieren, dass die IK erst aus einer Pressemitteilung von einem bestimmten Thema erfahre.

Bis heute herrsche in einigen alteingesessenen Pressestellen noch eine gewisse Arroganz, wenn man in abschätziger Art und Weise über „das Mädel von der Internen“ spreche. Dabei habe sich gezeigt, dass ein holistischer Kommunikationsansatz nun mal nur mit der Integration interner Perspektiven umsetzbar ist. Internal Comms muss mit am Tisch sitzen und bereits in der Strategie- und Planungsphase auf die potenzielle Wirkung bestimmter Themen hinweisen.

Spannender Impuls aus dem Plenum: Wenn der Pressesprecher auch den Intranet-Artikel schreiben muss, lässt das Ergebnis häufig zu wünschen übrig. Die im Newsroom-Modell angelegte Trennung von Themen und Kanälen, die dafür sorgen soll, Spezialist*innen für bestimmte Zielgruppen mit der Aufbereitung von Inhalten zu betrauen, hätte in diesem Beispiel gutgetan.

Ein Next-Gen-Newsroom für GORE-TEX Professional

Die Produktion unterschiedlicher Formate ist das eine, deren Veröffentlichung ein nicht weniger wichtiger Schritt. Wie Bart Verhulst, Mitgründer von Presspage, herausarbeitete, kann sich eine Kommunikationsabteilung heute nicht mehr darauf ausruhen, regelmäßig Pressemitteilungen zu versenden. Nachweislich werde die Conversion dieses altgedienten Formats immer schlechter, was bei der schieren Menge an Mails, die täglich in den Redaktionen auflaufe, auch nicht verwundere.

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In seinem Vortrag mit Andreas Marmsoler von GORE-TEX Professional beleuchtete er den Newsroom nicht als Organisationsform, sondern als Ort, an dem alle Geschichten und Formate gesammelt und allen Zielgruppen zur Verfügung gestellt werden. Gewissermaßen als virtuelles Kommunikationsschaufenster für das Unternehmensnarrativ.

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Marmsoler präsentierte das eigene Newsroom-Schaufenster für Neuigkeiten über die selbstentwickelten Produkt- und Textiltechnologien, das GORE-TEX mithilfe von Presspage an den Start gebracht hat. Und so sieht es aus: https://news.goretexprofessional.com/

Vor allem die Zusammenarbeit mit Agenturen sei nun deutlich effizienter. Diesen, aber auch allen anderen Zielgruppen, könnten nun alle Informationen und Assets wie Videos oder Bilder an einer zentralen Stelle zur Verfügung gestellt werden.

Themengetriebene Kommunikation und Content-Collaboration bei ZEISS

Bei einem Unternehmen, das wie die ZEISS Group mehr als 35.000 Mitarbeitende in rund 50 Ländern beschäftigt und in mitunter sehr unterschiedlichen Marktsegmenten unterwegs ist, muss der Newsroom mit einer wachsenden Komplexität zurechtkommen.

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Sonja Thorwart berichtete in ihrem Vortrag von einem Prozess, der von kurzfristiger, kanal- bzw. produktgetriebener Planung zu einer transparenten, themenzentrierten Planung führt. Dabei spiele ein klarer Freigabeprozess, aber auch ein Empowerment aller Mitarbeitenden zu selbstständigem Arbeiten eine wichtige Rolle. Fünf Bereich habe man für den Change definiert: Collaboration, Content/Topics, Infrastructure, People und Data/Analytics.

Besonders spannend zu sehen war, wie der ZEISS-Newsroom die einzelnen Schritte im Content-Zyklus – „Topic Planning“, „Create“, „Publish“, „Promote“, „Analyze“ – im Alltag mit dirico abbildet.

Agile Transformation bei Union Investment

Die Gruppe Redaktions- und Trainingsmanagement bereitet bei Union Investment diverse Anlagethemen für die Zielgruppen Bankensteuerung, Bankberater*innen und (potenzielle) Anleger*innen auf. Der Fokus liegt dabei auf den Berater*innen in den Kreditinstituten der genossenschaftlichen Finanzgruppe, also in erster Linie Volks- und Raiffeisenbanken.

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Catharina Heidecke stellte in ihrem Vortrag verschiedene Kanäle und Formate vor, darunter etwa das Online-Portal InvestmentWelt, Filme, Webkonferenzen, Lernprogramme, Podcast, Newsletter und Magazine. Diese wurden in einem Quadranten nach den Parametern emotional, rational, kurzlebig und langlebig positioniert.

Für die Adressaten der Kommunikation besteht eine Hierarchie, d.h. dass sie in der Regel in genau dieser Reihenfolge mit festgeschriebenen Pufferzeiten über Neuigkeiten informiert werden sollen. Diese Hierarchie reicht von internen Stakeholder*innen über die Bankensteuerung, Trainer*innen und Bankberater*innen bis zu den Anleger*innen.

Der Redaktionsprozess folgt einem standardisierten Muster und wird durch ein System unterschiedlicher Redaktionskonferenzen sowie dirico als Redaktionssystem unterstützt. Hervorzuheben ist dabei sicherlich der hohe Grad an Customizings, den Union Investment in unserer Software hat vornehmen lassen. Ein schönes Beispiel dafür, dass man sich als Unternehmen nicht den Prozessen eines starren Tools unterwerfen, sondern auf eine individualisierbare Lösung setzen sollte.

Aktuell befinde man sich bei Union Investment in einem weiteren Change-Prozess. Laut Catharina Heidecke habe man festgestellt, dass man in einigen Bereichen bereits agil arbeite, allerdings ohne ein klares Framework. Gerade beim Einsatz agiler Methoden sei es aber unerlässlich, dass alle die Rollen, Prozesse, Begrifflichkeiten und Zielsetzungen genau verstanden haben. In den nächsten Monaten gehe man diesen Weg der agilen Transformation konsequent weiter.

„You are the witness of change“

Was nehmen wir nun aus unserem Newsroom-Roundtable mit?

Kein Newsroom ist perfekt und in allen Unternehmen wird gerade fieberhaft an Prozessen und Strategien gearbeitet, um dem Wandel in der Kommunikation gerecht zu werden. Dabei stehen viele vor ganz ähnlichen Herausforderungen. Vor allem beim Thema Execution und Change-Management. Denn die schönsten Modelle und Prozesse taugen nichts, wenn die Kolleg*innen so weitermachen wie bisher.

Das „klassische Newsroom-Modell“ sollte nicht als Heiliger Gral betrachtet werden. Neue Ansätze und Modelle, wie etwa das Corporate Media House oder der umfassende Einsatz agiler Methoden, sollten in Kommunikations- und Marketingabteilungen evaluiert werden.

Die interne Kommunikation wird immer wichtiger und muss zwingend auch im Newsroom, Media House oder einem anderen integrierten Organisationsmodell mitgesteuert werden. Teilweise werden die eigenen Mitarbeitenden bereits heute als wichtigste Zielgruppe wahrgenommen, was sich in der Anzahl der Kommunikationsmaßnahmen oder der Reihenfolge der Veröffentlichung manifestiert.

Und nicht zuletzt: Bevor wir uns mit Prozessen und Modellen müssen wir uns unserem Narrativ widmen und die Story, die wir und andere über uns erzählen sollen, auf den Punkt bringen. Um dann auf lange Sicht die Kontrolle über das Narrativ zu behalten, brauchen natürlich wieder Strukturen und Prozesse – zum Beispiel einen Newsroom oder ein Corporate Media House.

Die Krönung der Arbeit in einem solchen Modell wäre ein Narrativ, das bei allen Zielgruppen glasklar und eindeutig im Gedächtnis bleibt – und das so unverwechselbar und von niemandem zu kopieren ist wie der Sound von Rage Against The Machine.

Michèle Ley

Social Media Manager at Staffbase

1y

Deine Opener sind einfach die besten 😍

Markus Kirchschlager

Change Communications | Managing Director PANTARHEI | WEF Global Shaper

1y

Toller Recap, danke Philipp für die Insights! 🔍

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